Die oberfränkische Polizei zählte im Jahr 2015 529 Übergriffe auf insgesamt 1.126 Beamtinnen und Beamte im Einsatz. Die Fälle sanken zwar im Vergleich zu 2014 um rund 10 Prozent. Allerdings ist das hohe Gewaltpotential bei den Übergriffen als besorgniserregend zu werten, so die Polizei.
Beleidigungen und Körperverletzungen fast schon Alltag
220 Fälle von Beleidigungen wurden in den letzten zwölf Monaten. Gleich darauf folgen Tätlichkeiten. 178 Vorfälle von Körperverletzungen wurden registriert. Die Anzahl der gefährlichen Körperverletzungen blieb im Vergleich zu 2014 mit 23 Straftaten unverändert. Trauriger Höhepunkt: 2015 gab es zwei versuchte Tötungsdelikte gegen Polizisten.
Häufigster Tatort: Straße
Die meisten Straftaten gegen Polizeibeamte ereignen sich auf öffentlichen Straßen und Wegen. 250 Delikte wurden aufgenommen. An privaten Plätzen wurden 115 Straftaten verzeichnet, ein Anstieg um 22 Prozent zu 2014. Bei Vorfällen in Polizeidienststellen sank die Zahl von 80 auf 66 Straftaten. Vor allem in der Nacht sowie am Wochenende fanden die meisten Übergriffe statt.
Geringfügige Maßnahmen – erhebliche Übergriffe
Gewalt gegen Polizeibeamte steht in der Regel in unmittelbarem Zusammenhang mit polizeilichen Maßnahmen, wie Identitätsfeststellungen. Wie massiv die Gewaltbereitschaft bei einer geringfügigen Maßnahme sein kann, mussten Beamte in Bamberg in der Silvesternacht 2015/2016 erleben. Bei der Feststellung seiner Personalien griff ein 35-Jähriger einen Polizisten unvermittelt an und schlug auf ihn ein. Durch die Schläge erlitt der 25-Jährige innere Blutungen.
VieleTatverdächtigen alkoholisiert
Bei den 529 registrierten Fällen wurden 456 Tatverdächtige ermittelt. Von diesen waren 384 männlich (84 Prozent), 72 waren weiblich. Bei fast 75 Prozent der Täter (325) stellte sich der Einfluss von berauschenden Mitteln, wie Alkohol (269 Mal), heraus.
Gefährliche Tatmittel
Aggressionen und Gewaltbereitschaft gegen Polizisten stiegen 2015 wieder deutlich. In einem Fall wurden die Polizisten mit einer scharfen Schusswaffe bedroht, in zwei Fällen mit einer anderen Schusswaffe. Hieb- und Stichwaffen waren in drei Fällen gegen die Polizisten im Einsatz. Bei drei Fällen benutzten die Tatverdächtigen Wurfgegenstände und zwei Mal ein Kfz gegen die Ordnungshüter. In 92 Fällen erfolgten die Übergriffe durch Schläge. 111 Mal durch Treten. 17 Mal wurde ein Kopfstoß ausgeführt. In 22 Fällen wurden Beamte gebissen.
Zwei versuchte Tötungsdelikte
Am Abend des 6. April 2015 wurden Polizisten in Bayreuth zu einer randalierenden Person in der August-Riedel-Straße gerufen. Als die Polizisten sich vor Ort zu erkennen gaben, öffnete der Tatverdächtige die Tür und griff einen der beiden Polizisten mit einem selbstgebauten Schlagwerkzeug (ein Holzklotz mit mehreren langen, herausstehenden Schrauben) an. Den ersten Schlag konnte der Beamte abwehren, trug jedoch bei dem zweiten Schlag am Arm eine Platzwunde davon.
Zu massiven Tätlichkeiten gegen zwei Beamte kam es am 24. April 2015 in Kronach. Nach einer Trunkenheitsfahrt griff der Beschuldigte (43) einen Beamten vor der Blutentnahme im Krankenhaus an. Dabei versuchte er mit aller Gewalt, dem Polizisten die Dienstpistole aus dem Holster zu entreißen. Auch die Blutentnahme wurde bei massiver Gegenwehr durchgeführt. Der Mann drohte, die Beamten „abzuknallen“, äußerte mehrfach übelste Beleidigungen und randalierte in der Haftzelle.
Wegen eines weiteren versuchten Tötungsdelikts Mitte 2015, welches noch nicht in der Statistik gelistet ist, musste sich ein 22 Jahre alter Mann strafrechtlich verantworten. Schleierfahnder kontrollierten am 30. Juni 2015 den Tatverdächtigen bei der Einreise mit dem Zug aus Tschechien in Marktredwitz. Im Zug wurden zunächst mehrere Gramm Crystal gefunden. Beim Verlassen der Bahn stach der Tatverdächtige dann unvermittelt auf einen Polizisten ein und ergriff danach die Flucht. Das Messer verursachte einen zehn Zentimeter langen Stich mit Durchtrennung einer Vene. Der Schwerverletzte wurde in das Krankenhaus Marktredwitz eingeliefert. Der zweite Beamte wurde leicht verletzt.
(Überlebens-)wichtiges Einsatztraining
Dass die oberfränkischen Polizeibeamten tätliche Übergriffe trotz ihrer hohen Anzahl überwiegend abwehren konnten beziehungsweise die Angriffe oftmals glimpflich ausgingen, ist nicht zuletzt auch den aufwändigen Schulungsmaßnahmen zu verdanken. Seit der Fertigstellung des neuen „Zentrums für Polizeiliches Einsatztraining“ im Herbst 2015 in Bayreuth, können die oberfränkischen Beamtinnen und Beamten unter noch professionelleren Bedingungen trainieren. Grundsätzlich ist es aber das vorrangige Ziel, Konflikte nach Möglichkeit mit Mitteln der Kommunikation zu lösen.