Liebe Leserinnen und Leser,
„Wir sind das Volk!“ so erklang es vor 25 Jahren in vielen Städten der ehemaligen DDR. Die Menschen machten mit diesem Ruf ihrer Wut und ihrer Verzweiflung Luft. Ihrer Wut und Verzweiflung darüber, eingesperrt zu sein, unterdrückt oder verfolgt zu werden. In vielen Veranstaltungen wurde in diesem Jahr an die mutigen Menschen, die damals die innerdeutsche Mauer niederrissen erinnert. Es wurden die Bilder der endlos erscheinenden Trabi-Schlangen auf den Autobahnen genauso wieder ins Gedächtnis gerufen, wie die der überfüllten Sonderzüge, die in Hof ankamen. 2014 feierten wir den 25. Jahrestag der Grenzöffnung.
Im gleichen Jahr 2014 erlebten wir, dass wieder tausende Menschen nach Deutschland, Bayern und Oberfranken kamen. Nur diesmal kamen sie nicht mit Sonderzügen aus Prag oder mit ihrem eigenen Auto. Nein, die Rede ist von Flüchtlingen aus der ganzen Welt, die auf der Flucht vor Krieg, Gewalt, Not und Unterdrückung auf den unterschiedlichsten Wegen auch zu uns nach Oberfranken gelangten.
So wurden die Asylbewerber zu dem Thema des Jahres 2014. Noch in der ersten Jahreshälfte 2014 bewegte sich die Anzahl der ankommenden Asylbewerber auf einem zu erwartenden Niveau. Durchschnittlich 157 Menschen monatlich wurden uns von der Zentralen Aufnahmeeinrichtung in Zirndorf zur Unterbringung in Oberfranken zugewiesen. Wir konnten diese Aufgabe „geräuschlos“ erfüllen. In den letzten drei Monaten stieg diese Zahl dagegen auf 435 Asylbewerber an. Als Regierung sind wir für die Unterbringung von Asylbewerbern zuständig. Hierzu betreiben wir sogenannte Gemeinschaftsunterkünfte (GUs), verteilt über ganz Oberfranken. Noch bis Juni 2014 haben wir vier neue GUs eröffnet, so dass wir die uns anvertrauten Menschen zunächst recht gut mit Wohnraum ausstatten konnten. 23 dieser GUs gibt es derzeit. Etwa ab der Mitte des Jahres änderte sich die Situation dann aber dramatisch. Wie ist das grundsätzliche Procedere?
In Deutschland ankommende Asylbewerber werden nach dem Königsteiner Schlüssel auf alle Bundesländer verteilt. Danach nimmt Bayern rund 15 % der Asylbewerber auf. Asylbewerber, die nach Bayern kommen, werden zunächst in einer der beiden Aufnahmeeinrichtungen in Zirndorf und in München untergebracht. Die weitere Verteilung innerhalb Bayerns regelt die Asyldurchführungsverordnung (DVAsyl). Für Oberfranken beträgt die Quote 8,9 %.
Doch die Zahlen stiegen weiter und weiter, immer mehr Menschen kamen nach Bayern. Die Folge war, dass die Kapazitäten in unseren GUs nicht mehr ausreichten, um alle Menschen zu versorgen. Wir waren daher gezwungen, gemäß dem Verteilungsschlüssel für die Städte und Landkreise mehr und mehr Asylbewerber an die Kreisverwaltungsbehörden weiter zu reichen. Die Landratsämter und kreisfreien Städte haben dann die schwierige Aufgabe, diese Asylbewerber dezentral in angemieteten Wohnungen, Pensionen oder ähnlichen Unterkünften unterzubringen.
Die steigenden Zahlen führten aber außerdem auch dazu, dass die beiden Aufnahmeeinrichtungen in München und Zirndorf an ihre Kapazitätsgrenzen stießen. Jeder Regierungsbezirk wurde daher aufgefordert, eine eigene Aufnahmeeinrichtung zu schaffen. Nach einer längeren Standortsuche konnten wir uns mit der Stadt Bayreuth darauf verständigen, die Einrichtung in der Herzogmühle zu errichten. Am 5. November 2014 wurde hierfür ein Vorvertrag, der Einzelheiten der Anmietung der künftigen Anlaufstelle durch den Freistaat Bayern regelt, unterzeichnet.
Doch die Lage in der Aufnahmeeinrichtung in München verschärfte sich weiter. Mitte Oktober war diese derart überfüllt, dass sie geschlossen wurde. Die Bayerische Staatskanzlei und das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration richteten einen Krisenstab ein. Hieraus erwuchs uns die Aufgabe, in kürzester Zeit eine Not-Erstaufnahmeeinrichtung für 200 Menschen zu installieren. Es gelang uns, diese „über’s Wochenende“ in Bayreuth in der Wilhelm-Busch-Straße einzurichten. Wir konnten dort einerseits auf unsere bereits bestehende Regierungsaufnahmestelle zurückgreifen. Andererseits gelang es uns, eine gegenüberliegende ehemalige Firmenhalle anzumieten und mit Feldbetten auszustatten.
Am Sonntag, 19. Oktober 2014, kamen dann die ersten Asylbewerber aus München in Oberfranken an. 45 Menschen, vor allem aus den Ländern Afghanistan, Pakistan und Eritrea waren die ersten, die in der Not-Aufnahmeeinrichtung in Bayreuth aufgenommen wurden. Die Menschen wurden vom Gesundheitsamt des Landratsamts Bayreuth ärztlich untersucht. Das Bayerische Rote Kreuz (BRK) war mit etlichen Einsatzkräften angerückt und versorgte die Neuankömmlinge mit Essen.
In der Folge haben wir es geschafft, dort den funktionierenden Betrieb einer Erstaufnahmeeinrichtung zu organisieren. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter wurden -zum Teil in Zirndorf- geschult, um die bestehenden EDV-Erfassungsprogramme bedienen zu können. Die oberfränkischen Gesundheitsämter entwickelten unter Führung des Bereichs 5 der Regierung ein Konzept zur Durchführung der notwendigen Gesundheitsuntersuchungen. Und auch die Zusammenarbeit mit den Hilfsorganisationen und den ehrenamtlichen Helfern in Bayreuth wurde intensiviert. So konnten wir bis Mitte Dezember 315 Menschen aufnehmen und 191 in andere Bundesländer bzw. innerhalb Bayerns weiter vermitteln. Insgesamt 124 Personen wurden innerhalb Oberfrankens verteilt. Dabei darf aber nicht verschwiegen werden, dass dies nur deshalb möglich war, weil Regierungsmitarbeiter und Freiwillige zu jeder Tages- und Nachtzeit sowie am Wochenende im Einsatz waren.
Im Oktober hatte der Krisenstab der Staatsregierung außerdem den sogenannten Winter-Notfallplan beschlossen. Dies bedeutet, dass angesichts des Zustroms von Asylbewerbern jede Kreisverwaltungsbehörde in Bayern für die kurzfristige Aufnahme von 200 bis 300 Asylbewerbern vorbereitet sein muss, um jedem Szenario standhalten zu können. Die erste Stufe dieser notfallmäßigen Unterbringung beinhaltete, dass von jeder Kreisverwaltungsbehörde winterfeste Einrichtungen benannt werden mussten, die zur Aufnahme von 200 bis 300 Personen und für eine Verweildauer von fünf bis sechs Wochen geeignet sind. Die Vorbereitungen müssen dabei so angelegt sein, dass die Einheiten sofort belegbar sind. Auch hier war auf unsere Landratsämter und kreisfreien Städte Verlass. In Erfüllung dieser Verpflichtung wurden verschiedenste Objekte gemeldet, so dass wir die geforderte Quote erreichen konnten.
Henry Ford hat einmal gesagt: „Zusammenkommen ist ein Beginn, Zusammenbleiben ist ein Fortschritt, Zusammenarbeiten ist ein Erfolg.“ So gesehen betrachte ich das Jahr 2014 als großen Erfolg. Denn in dieser turbulenten Zeit, in der teilweise vom „Krisenmodus“ die Rede war, ist es uns in Oberfranken gelungen, im Sinne der Aufgabe an einem Strang zu ziehen. Ich möchte dabei die vielen anderen Themen, die uns 2014 bewegt haben nicht außer Acht lassen. Natürlich beschäftigte uns die kritische Finanzausstattung vieler Landkreise und Kommunen. Es gab einigen Wirbel um die Kommunalwahl im Landkreis Wunsiedel. Viele Kolleginnen und Kollegen waren mit der verfahrensmäßigen Abarbeitung von Strom- und Schienentrassen befasst. Wir konnten mehrere Millionen Euro an Fördermitteln in den verschiedensten Bereichen ausreichen u.v.m.
Besonders beeindruckt hat mich aber das Zusammenstehen und Zusammenarbeiten im Bereich der Asylbewerber. Mein Dank geht daher an die Landkreise und kreisfreien Städte für das stets konstruktive Miteinander. Ich erlebe aber auch, dass sich Menschen ehrenamtlich mit großem Engagement, viel Herzblut und Empathie um die Asylbewerber kümmern. In vielen Kommunen haben sich Helferkreise gebildet. Auch ihnen möchte ich auf diesem Wege ausdrücklich Dank sagen. Gleiches gilt für die Hilfsorganisationen und Wohlfahrtsverbände, die ebenfalls wertvolle Unterstützung gewährt haben. Und nicht zuletzt möchte ich mich bei meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Hause bedanken, die Außerordentliches geleistet haben.
Viele stellen jetzt in der Weihnachtszeit wieder Krippen bei sich zu Hause auf. Das darin dargestellte Motiv der Herbergssuche ist angesichts der vielen Flüchtlinge aktueller denn je. Hoffnung machen mir zwei Mädchen aus Coburg, Chantal und Celina. Sie entschieden sich beim Flohmarkt der Generationen ganz spontan, ihre Spielsachen nicht zu verkaufen, sondern für die Flüchtlingskinder aus Syrien zu spenden. Das ist gelebte Nächstenliebe.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest mit etwas Zeit zur Entspannung und schöne Stunden im Kreise Ihrer Familien. Für das kommende Jahr 2015 wünsche ich Ihnen alles Gute, Glück und Gesundheit.
Wilhelm Wenning