TVO EXKLUSIV am Mittwoch (20. November):
Im Schmieröl- und Dieselskandal um ein Mineralöl-Handelsunternehmen, der von den Zollermittlern jetzt aufgedeckt wurde, sitzt ein oberfränkischer Unternehmer derzeit in Haft.
Bei TV Oberfranken kommt nun der Hofer Anwalt Jürgen Schmidt zu Wort, der den betreffenden Mineralölhändler aus Oberfranken vertritt. Schmidt gibt erstmals Einblicke aus der Sicht des Unternehmers beziehungsweise der Verteidigung. So stellt sich dem Anwalt, wie er im TVO-Studiotalk mit Aktuell-Moderator Bodo Heyn berichtet, unter anderem die Frage nach dem zeitlichen Umfang und vor allem auch die Frage, welcher Schaden tatsächlich entstanden ist und wem genau. Zudem bezweifelt er, dass ein Diesel-Pkw allein mit Schmieröl im Tank fahren kann.
Am vergangenen Donnerstag (14. November) wurde eine Zollkontrolle bei einer Tankstellenkette aus dem Landkreis Hof durchgeführt. TVO berichtete darüber. Die Razzia, die von der Hofer Staatsanwaltschaft geleitet wurde, fand bundesweit an insgesamt 32 Wohn- und Geschäftsorten statt. 230 Zollfahnder waren hierfür im Einsatz. Am Montagvormittag (18. November) äußerten sich die Staatsanwaltschaft Hof und das Zollfahndungsamt München zu dem Fall. Nach derzeitigen Ermittlungen der Behörden sollen über 37 Millionen Liter Schmieröl im Wert von rund 52 Millionen Euro zweckwidrig und unversteuert als Dieselkraftstoff an Gewerbekunden und über Tankstellen an Endverbraucher im Bundesgebiet verkauft worden sein. Sieben Haftbefehle wurden vollstreckt.
Verdeckte Ermittlungen des Zollfahndungsamtes München
Nach monatelangen verdeckten Ermittlungen des Zollfahndungsamtes München wurden sechs Haftbefehle gegen mutmaßliche Mitglieder von Gruppierungen vollstreckt. Diese stehen im Verdacht, steuerfreies Schmieröl aus Osteuropa im großen Stil an ein Unternehmen in Oberfranken geliefert zu haben. Das Schmieröl soll anschließend als steuerpflichtiger Dieselkraftstoff deklariert und mit firmeneigenen Tanklastwagen an zahlreiche Empfänger in ganz Deutschland vertrieben worden sein.
Haftbefehl gegen Unternehmer aus Oberfranken
Darüber hinaus wird dem oberfränkischen Unternehmer vorgeworfen, den unversteuerten Dieselkraftstoff über firmeneigene Tankstellen im Landkreis Hof und im Vogtlandkreis direkt an Endverbraucher verkauft zu haben. Auch gegen ihn hat der Ermittlungsrichter am Amtsgericht Hof einen Haftbefehl erlassen.
Täglich bis zu 16 Tanklastwagen Schmieröl als Diesel umdeklariert?
Die Ermittler vermuten, dass seit Anfang 2023 täglich bis zu 16 Tanklastwagenladungen mit Schmieröl in die Tanklager eines oberfränkischen Unternehmens geliefert und dort als Dieselkraftstoff umdeklariert worden sein könnten. Insgesamt könnte auf diese Weise die Energiesteuer für mindestens 1.230 Tanklastwagen, jeweils mit einem Fassungsvermögen von durchschnittlich 30.000 Litern, hinterzogen worden sein. Lieferanten und Rechnungssteller des Schmieröls waren teils Firmen aus Hamburg, Amberg und Falkensee, überwiegend jedoch Unternehmen aus Berlin.
Geschätzter Steuerschaden liegt bei 18 Millionen Euro
Der vorläufig geschätzte Steuerschaden durch die hinterzogene Energiesteuer beläuft sich auf rund 18 Millionen Euro. Zusätzlich ermitteln die Steuerfahndungsstellen der Finanzämter Bayreuth, Berlin, Potsdam und Braunschweig wegen des Verdachts der Umsatzsteuerhinterziehung. Der Schaden in diesem Bereich wird auf etwa 3,6 Millionen Euro geschätzt.
Zoll-Ermittler stellen umfassendes Beweismittel sicher
Bei den Durchsuchungen stellten die Ermittler des Zolls umfangreiche Beweismittel sicher, darunter Geschäftsunterlagen, handschriftliche Aufzeichnungen, Notebooks, Tablets, Mobiltelefone und über 30.000 Euro Bargeld. Zusätzlich wurden 12.500 Euro Falschgeld gefunden.
Ermittler beschlagnahmen unter anderem 15 Tankfahrzeuge
Im Zuge der Vermögensabschöpfung und zur Sicherung der hinterzogenen Steuern beschlagnahmten die Einsatzkräfte insgesamt 15 Tankfahrzeuge verschiedener Größen, sechs Lastkraftwagen, sechs Anhänger und zehn Pkw. Der Wert eines am 15. November 2024 nachträglich gepfändeten Tanklastwagens wird auf etwa 400.000 Euro geschätzt. An sieben Tankstellen wurden die Dieselzapfsäulen gesperrt, und die Lagertanks auf dem Firmengelände wurden durch Verplombung gesichert. Beim Vollzug der Beschlüsse kam es laut Staatsanwaltschaft und Zoll zu bemerkenswerten Vorfällen:
Fünf polnische Tanklastzüge gestoppt
Während der laufenden Maßnahmen stoppten Zollfahnder fünf polnische Tanklastwagen, die mit Dieselkraftstoff beladen waren und sich auf direktem Weg zum Firmengelände befanden. Die rund 150.000 Liter Kraftstoff wurden sichergestellt. Es besteht der Verdacht, dass die Frachtpapiere und Gefahrgutwarntafeln während des Transports bereits auf Dieselkraftstoff umdeklariert worden sein könnten. Auf Anordnung der Staatsanwaltschaft Hof wurden alle fünf Tanklastwagen beschlagnahmt, und es wurden Proben des Inhalts entnommen. Gegen die Fahrer wurde vor Ort ein Steuerstrafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung eingeleitet.
Beschuldigter soll Dokumente auf Bordtoilette eines Flugzeuges entsorgt haben
Ein Beschuldigter, der während des laufenden Einsatzes mit einem Flugzeug auf dem Weg nach Frankfurt am Main unterwegs war, hatte laut den Behörden offenbar Kenntnis von den Razzien erlangt. Es wird vermutet, dass er versuchte, schriftliche Aufzeichnungen aus seinem Handgepäck zu vernichten oder zu entsorgen, indem er diese in der Bordtoilette, einem Mülleimer in der Bordküche oder in Taschen benachbarter Sitze deponierte.
Nach der Landung und der Vollstreckung des Haftbefehls gegen den Mann durchsuchten Frankfurter Zollbeamte die vom Beschuldigten genutzten Bereiche des Flugzeugs. Der Inhalt des betreffenden Mülleimers wurde sichergestellt.
Insgesamt rund 300 Ermittler am Donnerstag im Einsatz
Am Tag der Durchsuchungen waren rund 300 Einsatzkräfte der Zollfahndungsämter München, Berlin, Hamburg, Dresden und Frankfurt am Main im Einsatz. Unterstützung erhielten sie von Gutachtern des Bildungs- und Wissenschaftszentrums der Bundeszollverwaltung sowie von Kräften der Hauptzollämter Schweinfurt, Nürnberg, Erfurt und Regensburg.
Auch die Steuerfahndungen aus Bayreuth, Berlin, Potsdam und Braunschweig waren an den Durchsuchungen beteiligt. Vor Ort wurde der Vollzug der vom Amtsgericht Hof angeordneten Maßnahmen von der Staatsanwaltschaft Hof geleitet, die mit zwei Staatsanwälten vertreten war.
Ermittlungen dauern an
Das Verfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen beziehungsweise der gewerbsmäßigen Steuerhehlerei dauert an. Weitere Details geben die betreffenden Behörden derzeit nicht bekannt.
Die Ermittlungen zeigen deutlich, wie sich einzelne Wirtschaftsbeteiligte durch kollusives strafwürdiges Verhalten deutliche Wettbewerbsvorteile zu eigenen Gunsten verschaffen. Der deutsche Zollfahndungsdienst arbeitet unter Sachleitung der Staatsanwaltschaften gut vernetzt und erfolgreich mit zahlreichen Verwaltungen zusammen, um insbesondere bei komplexen Verfahren wie diesem die Drahtzieher krimineller Netzwerke zu enttarnen. Zielgerichtet werden die Strukturen der Täter zerschlagen und deren rechtswidrig erlangtes Vermögen eingefroren.
(Tino Igelmann, Leiter des Zollkriminalamtes in Köln)